Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen auch bei beruflichem Aufstieg

Behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von weniger als 50, aber wenigstens 30, sollen schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten können (§ 2 Absatz 3 SGB IX). Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seiner Entscheidung vom 6. August 2014 (B 11 AL 5/14R) klargestellt, dass dem Anspruch auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes nicht entgegensteht, dass ein Antragsteller einen geeigneten Arbeitsplatz innehat.

Die Klägerin (GdB 30) war als Justizfachangestellte im mittleren Dienst in Vollzeit beschäftigt. Sie bewarb sich für die Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin im gehobenen Dienst. Die Finanzbehörde stellte nach dem Gespräch eine Einstel- lung in Aussicht, lehnte diese aber nach ärztlicher Untersuchung ab, weil die Klägerin nicht die für die Einstellung in das Beamtenverhältnis erforderliche gesundheitliche Eignung besitze. Zur Begründung ihres Antrags auf Gleichstellung bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit führte die Klägerin aus, sie benötige die Gleichstellung, um die Stelle als Beamtin auf Widerruf bei der Finanzbehörde erlangen zu können. Die Beklagte lehnte den Antrag ab. Eine Gleichstellung sei nicht möglich, da die Klägerin einen sicheren Arbeitsplatz habe und die Gleichstellung nicht den beruflichen Aufstieg fördern solle. Das Landessozialgericht hat die Beklagte verpflichtet, die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen. Dies sei erforderlich, damit sie den angestrebten Arbeitsplatz erlangen könne.

Das Bundessozialgericht hat mit dem jetzt veröffentlichten Urteil die Revision der Bundesagentur für Arbeit zurückgewiesen. Diese bleibt also zur Gleichstellung verpflichtet. Die Klägerin bedarf der Gleichstellung, um den konkret angestrebten neuen Arbeitsplatz erlangen zu können. Sie besitzt auch die gesundheitliche Eignung für diese Tätigkeit, da sie schon bisher eine Bürotätigkeit in Vollzeit verrichtet hat. Auch der Ursachenzusammenhang zwischen ihrer Behinderung und der Erforderlichkeit der Gleichstellung besteht. Dieser ist anzunehmen, wenn der behinderte Mensch wegen seiner Behinderung den von ihm angestrebten Arbeitsplatz nicht erlangen kann. Das ist hier der Fall, weil die Klägerin die spezifischen gesundheitlichen Anforderungen für eine Einstellung in das Beamtenverhältnis ohne Gleichstellung nicht erfüllt. Nach Gleichstellung dürfte sie den gewünschten Arbeitsplatz erlangen können, weil für schwerbehinderte und gleichgestellte Personen weniger strenge gesundheitliche Einstellungsanforderungen gelten.

Das Bundessozialgericht stützt sich bei der Auslegung von §°2 Absatz°3 SGB°IX auch auf Artikel 12 Grundgesetz (Freiheit der Berufswahl), Art. 27 Absatz°1 Satz°2 Buchstabe a und e der UN-Behindertenrechtskonvention und Artikel 21, 26 der EU Grundrechtecharta (vgl. Randnummern 21 und 24 des BSG Urteils). Das Urteil des BSG können Sie unter folgendem Link herunterladen:
http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&nr=13568

Zu den Voraussetzungen einer Gleichstellung nach Maßgabe des § 2 Absatz°3 SGB IX wird auf die Parallelentscheidung des BSG vom 6. August 2014 (B 11 AL 16/13 R) verwiesen. Die Entscheidung finden Sie unter folgendem Link:
http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&nr=13566

Bei der Prüfung des Kausalzusammenhangs zwischen Behinderung und Erforderlichkeit der Gleichstellung ist als wesentlicher Umstand zu berücksichtigen, welche arbeitsrechtliche Sicherung der behinderte Mensch auf dem konkreten Arbeitsplatz erlangt hat. So steht der Status eines Beamten oder Richters oder die langjährige Beschäftigung im öffentlichen Dienst einer Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen in der Regel entgegen. Anderes gilt aber, sofern ausnahmsweise besondere Umstände vorliegen, die eine Gleichstellung gebieten. So hat das BSG schon in einem Fall vom 1. März 2011 (B 7 AL 6/10R) entschieden. Das Urteil finden Sie unter folgendem Link:
http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&sid=17405d958136307299f31626bb4fd1b0&nr=12006&pos=0&anz=1

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AGSVB Rundschreiben 01/2015

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